Keine Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit, Urteil vom 16.06.2020, VIII R 29/19

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 16.06.2020 (VIII R 29/19) entschieden, dass die digitale Abgabe der Einkommensteuererklärung wirtschaftlich unzumutbar ist, wenn der finanzielle Aufwand für die Einrichtung in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Einkünften steht, die die Pflicht zur elektronischen Erklärungsabgabe auslösen.

Der Kläger war selbständiger Physiotherapeut ohne Mitarbeiter, Praxis-/ Büroräume oder Internetzugang.

Bis 2016 gab er die Erklärungen durch das Ausfüllen amtlicher Erklärungsvordrucke zur Einkommensteuer ab. Für das Streitjahr 2017 forderte das Finanzamt die elektronische Übermittlung der Einkommensteuererklärung und setzte ein Zwangsgeld gegen den Kläger fest, der der elektronischen Übermittlung nicht nachkam. Den Antrag des Klägers auf Befreiung der elektronischen Übermittlung lehnte das Finanzamt ab.

Hiergegen erhob er Klage, die Erfolg hatte. Das Finanzgericht hob die Festsetzung des Zwangsgeldes auf und verpflichtete das Finanzamt, auf die elektronische Erklärungsabgabe zu verzichten. Der Bundesfinanzhof bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichtes und wies die Revision des Finanzgerichtes zurück.

Gemäß § 150 Abs. 8 Satz 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 4 Satz 2 EStG muss die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten, wenn eine solche Erklärungsabgabe für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegt insbesondere vor, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre.

Ob ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand anzunehmen ist, kann nur unter Berücksichtigung der betrieblichen Einkünfte des Steuerpflichtigen im Sinne des  § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 EStG entschieden werden. Denn die Härtefallregelung soll Kleinstbetriebe privilegieren. Der BFH ging davon aus, dass der Kläger einen Kleinstbetrieb führte. Die elektronische Erklärungsabgabe und das Zwangsgeld zu ihrer Durchsetzung durften nicht angeordnet werden.